Wer benötigt ein Teleobjektiv mit einer Brennweite von 900 Millimetern (KB-Äquivalent)? Niemand? Alle? Dieser Frage gehen wir in diesem Artikel nach und ich helfe dir zu entscheiden, ob diese Brennweite der Telezoombereich ist, auf den du schon lange gewartet hast. 

Fujifilm verbaut in ihren Kameras keine Vollformatsensoren, daher gehen wir noch kurz auf den Hinweis Kleinbild-Äquivalenz ein. Der Fujifilm APS-C Sensor hat einen Crop-Faktor von 1.5. Wenn man die Brennweite nun mit Vollformat (auch Kleinbildformat genannt) vergleichen will, muss man die auf dem Objektiv angegebene Brennweite mit 1.5 multiplizieren. Durch den unterschiedlichen Weg des Lichteinfalls vom Objektiv auf den Sensor bei unterschiedlicher Sensorgrösse, verschiebt sich die effektive Brennweite. Daher schreibe ich in diesem Post auch von 900 Millimetern. Denn das XF 150-600mm hat eine maximale Brennweite von 600 Millimetern, was aber mal 1.5 Crop-Faktor gerechnet rund 900 Millimeter effektiver Zoom ergibt. 

Meine Lieblingsbrennweite ist 85 Millimeter. Und doch, zeigt sich der Mond in seiner ganzen Pracht oder finde ich die Zeit für ein Wochenende in Flüeli oder in Champex-Lac, wäre so ein Supertele schon eine tolle Sache. Da der Kauf zum Preis von rund CHF 2'000.- aber kaum durch zwei, drei Wochenenden in einer Skihütte gerechtfertigt wird, habe ich mir ein besonderes Fotoprojekt zum Testen des Fujinon XF 150-600mm F5.6-8 R LM OIS WR ausgedacht. 

Das Objektiv, das nun in meinem Besitz ist, hat mich letztes Jahr an den Hockenheimring begleitet. Dort fährt eine Freundin erfolgreich in der VFV-GLP, einer Rennserie von Youngtimer PKW. Schnelle Autos, wechselhaftes Weter und eine fehlende Akkreditierung als Streckenfotograf haben mich und die Technik vor einige Herausforderungen gestellt. Spoiler: Ich habe tolle Bilder geschossen! 

Die Rennen der GLP laufen etwas anders ab, als das einige vielleicht von der Formel 1 kennen. Es geht darum, möglichst konstante Zeiten in seinen Runden zu fahren. Es gewinnt am Ende nicht der Erste, sondern wer konstant gleichbleibende Rundenzeiten fährt. Dafür haben die Fahrer*innen übers Wochenende verteilt mehrere Startzeiten, in welchen sie ihre Runden in unterschiedlichen Kategorien fahren. Die Autos sind wohlbekannte Modelle, modifiziert und auf den Rennzirkus optimiert. Die meisten Fahrer*innen sind auch ihre eigenen Mechaniker. Das ergibt ein tolles Feeling im Fahrerlager auch neben der Strecke. Es ist ein schönes Zusammensein von unterschiedlichsten Charakteren, die sich dasselbe Hobby teilen. 

(Diese Bilder wurden mit der GFX 100S augenommen)

Das zweite September-Wochenende 2022 bot wettertechnisch alles. Vom blauen Himmel mit warmem Sonnenschein bis zu Starkregen bei kühlen Temperaturen war alles dabei. Da bin ich also schon einmal froh um die Witerungsbeständigkeit meiner Fujifilm X-H2S mit dem XF 150-600mm. Obwohl das Objektiv mit seinen 1600g angenehm leicht ist, hatte ich unterstützend ein Monopod dabei. Damit fallen einem längere Foto-Einsätze leichter und auch kurze Videoclips stellen kein Problem dar. Die Kombination aus eingebautem Bildstabilisator im Objektiv und der Sensorstabilisierung der Fujifilm X-H2S ermöglichen verwacklungsfreie Aufnahmen selbst aus freier Hand. Beim Fotografieren von Tribünen an einer Rennstrecke sind oft Zäune, Pfeiler oder ähnliche Störfaktoren vorhanden. Durch das Verwenden des Monopods fällt es mir zusätzlich einfacher, im störfreien Bereich mein Bild zu schiessen, da ich mich nicht noch auf das Halten des Gewichtes konzentrieren muss. 

Die Brennweite des Fujinon XF 150-600mm ist enorm. Bereits der Bildausschnit bei 150mm bringt einen nah ans Geschehen heran. Besonders, wenn man das Objektiv zuhause im Garten ausprobiert. Natürlich ist das etwas anderes, wenn man auf einer riesigen Tribüne am Hockenheimring steht und gespannt auf die ersten Autos wartet, die auf dem Streckenverlauf auftauchen. Die linke Hand stabilisiert den Monopod, die rechte Hand liegt fest am Griff der X-H2S. Ich entscheide mich bei bewölktem Himmel für eine Verschlusszeit von 1/1000 bei Blende 8, die mir das Objektiv bei vollem Zoom auf 600mm vorgibt. Da kommen sie, dicht auf einander gefolgt, ein BMW, Mercedes, Opel, Porsche und weitere. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge beträgt auf diesem Abschnit vor der nächsten Kurve etwas um 150 km/h. Durch meinen Sucher sehe ich sogar die konzentrierten Köpfe der Fahrer in ihren Helmen. Ich habe die perfekte Kurve im Blickfeld. Die Autos werden dort langsamer und versuchen Überholmanöver, ich möchte gerne mehrere Fahrzeuge auf dem Bild einfangen und verringere sogar den Zoom etwas. Durch das gedämpfte Tageslicht erhöht die Kamera den ISO um bis zu 2500. Mit dem modernen Sensor der X-H2S sehen die Bilder aber trotzdem wahnsinnig gut aus. 

Mein Hauptaugenmerk liegt auf dem weissen BMW M3 GTR, den meine Freundin und ihr Vater in unterschiedlichen Kategorien fahren. Und ich bin froh, haben beide an diesem Wochenende mehrere Rennslots. So habe ich Zeit, auszutesten, wie wenig Verschlusszeit die unterschiedlichen Streckenabschnite aushalten. Schliesslich möchte ich den ISO Wert so niedrig wie möglich halten. Dass sich dabei die Blende zwischen 5.6 und 8 bewegt stört mich nicht, da ich sowieso abblenden müsste, um jeweils das ganz Fahrzeug scharf abgebildet zu haben. Es wäre nicht wünschenswert, wenn der Heckspoiler beim Fokus auf die Stossstange bereits in eine leichte Unschärfe übergeht. 

Am Samstag wurden die Wolken dichter und dunkler. Strömender Regen zwang die Fahrerinnen und Fahrer zu Regenreifen. Einerseits konnte ich da die Verschlusszeit etwas weiter verringern und mit 1/800 arbeiten, oder aber ich habe den Zoom etwas unter 600 Millimeter eingestellt, um 1-2 Blendenstops zu korrigieren und den ISO-Wert unter 2000 zu bringen. Hier kommt es ganz auf das fotografierte Motiv an. Verträgt es eine kürzere Verschlusszeit? Verträgt die Bildkomposition etwas Bildrauschen? Bei einem Milan, der mit ausgestreckten Schwingen durch den Himmel gleitet, geht etwas höherer ISO, um die Verschlusszeit auf 1/2000 Sekunde zu erhöhen. Bei einer Detailaufnahme eines Steinbockes in den Alpen möchte man in der Regel jegliches Rauschen durch hohe ISO-Werte verhindern, dafür sind hier in der Regel Verschlusszeiten unter 1/500 Sekunde möglich. Auch Mitzieher, also Aufnahmen, bei denen das fotografierte Objekt scharf aber im Hinter – und Vordergrund die Bewegungsunschärfe sichtbar wird, gelingen auf dem Monopod etwas einfacher als aus der Hand. Mit etwas Übung schafft man das aber bestimmt auch ohne Stativ. Dafür fehlte mir am Hockenheimring aber die passende Position für einen schönen Bildaufbau. 

Natürlich spielt auch der verwendete Kamerabody eine Rolle. Ich bin sehr zufrieden mit der Performance der Fujifilm X-H2S. Auch wenn ich die möglichen 40fps am Hockenheim nicht benötigt habe, bin ich vom herausragenden Autofokus begeistert. Dieser wurde jetzt durch das neue Firmwareupdate V3.0 noch einmal stark verbessert – unbedingt installieren (Bitte aber über eine SD-Karte, das Update über die Fujifilm App kann Probleme verursachen)!

Fazit: Das Fujinon XF 150-600mm F5.6-8 R LM OIS WR ist ein in sich geschlossener Kreis und bietet gute Kompromisse. Fujifilm hat das technisch Mögliche an Qualität für den Preis und das geringstmögliche Gewicht in einem Objektiv verarbeitet. 31,5 x 10 Zentimeter mit 1600g Gewicht nehme ich mit. Egal ob Auto, Fahrrad, ÖV oder zu Fuss. Wenn ich wilde Tiere, schnelle Autos oder Ähnliches erwarte, mache ich mit dem Supertele von Fujifilm die geringsten Abstriche und das Objektiv ist dabei tragbar und erschwinglich. Und ich kann das alles noch richtig übertreiben, wenn ich den x1.4 oder x2 Teleconverter zwischen Objektiv und Kamera schraube. Einziger Nachteil dabei sind die verlorenen Blendenstufen. Bei Tageslicht und nicht allzu schnellen Objekten funktioniert das aber trotzdem.
Für das Fujinon XF 150-600mm F5.6-8 R LM OIS WR gebe ich eine klare Kaufempfehlung ab. 

Wenn du dich für mehr Informationen zur VFV GLP Pro interessierst, empfehle ich dir gern die Website: www.vfv-glppro.de 

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