Sandro Georgi ist Fotograf, Outdoor-Guide, Kurs- und Reiseleiter und ein wunderbarer Geschichtenerzähler. 
Für seine Projekte ist er am liebsten draussen und auf langen Touren nomadisch, meist in abgelegenen Gebieten und oft alleine unterwegs. Mit seiner Kamera dokumentiert er die kleinen Geschichten und Details und wie es sich für ihn anfühlt, dort, vor Ort zu sein und macht Bilder, mit denen er seine ganz persönliche Sicht auf diese Erfahrungen zum Ausdruck bringt.
In seinem neuesten Blogbeitrag berichtet Sandro von seinen Erfahrungen mit der Leica M11 und wie sich die Kamera als seine Begleiterin durch den Oman geschlagen hat.

Tipp: Im Workshop vom 4. Juni hast du die Möglichkeit, das Leica M System selber auszuprobieren und auf dem Photowalk durch Bern von Sandros Tipps zu profitieren.
Mehr zum Kurs findest du hier: Workshop mit Sandro Georgi


Goldgelbe Dünen, schroffe Berge mit steilen, staubigen Strassen, nur auf Schotterpisten erreichbare und tief in die Felsen eingeschnittene Wadis, sattgrüne Palmenoasen mit Frischwasser-Pools, das kristallklare arabische Meer mit tausenden verlassenen Buchten und Moscheen mit frischem und gekühltem(!) Trinkwasser an den entlegensten Orten. «Welcome to Oman!», genau so wurde ich auf meiner dreiwöchigen Bikepacking Tour durch den Norden des Landes von den Omani immer wieder selbst herzlich begrüsst. Die Landschaft ist spektakulär, die Menschen offen und gastfreundlich und Reisen, auch mit dem Velo, ein Hochgenuss! Okay, meistens ein Hochgenuss… aber es ist selbstverschuldet, wenn man sich nach einem Tag Schotterpiste durch die Berge und Wüste am Abend nur mehr schlecht als recht den Mix aus Staub, Sonnencreme und Schweiss mit dem Lappen wegwaschen kann, bevor man im Zelt in den Seidenschlafsack steigt. Aber das ist eine andere Geschichte (die gibt es hier sandrogeorgi.com/bikepacking-oman), denn eigentlich geht es hier um die Erfahrungen mit der neuen Leica M11 Messsucherkamera mit 60 Megapixel.

Reduktion auf das Wesentliche

Ja, die Leica M11… wow! Sie führt die Tradition der Messsucherkameras von Leica und die Reduktion auf das Wesentliche fort - und wie erst! Ich hatte sie in der schwarzen Version (530g mit Aluminium- vs. 630g in Silber mit Messingoberteil) auf meiner Omanreise dabei. Aufgeschraubt hatte ich meistens das 50mm APO Summicron ASPH f/2 und in der Lenkertasche noch ein 28 mm Voigtländer Ultron f/2,0. Es war nicht die erste Bikepackingtour, die ich mit einer Leica als Begleiterin gemacht habe und sowieso nicht die letzte. Die Kamera liegt super in der Hand und ist weder zu gross für kleines Gepäck noch zu fummelig mit zu vielen Knöpfen auf zu engem Raum. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich mit dem 50mm Summicron fotografiert, denn ich mag die Brennweite sehr und es war unterwegs oft auch einfach dermassen staubig, dass ich auf einen Objektivwechsel schlicht verzichten wollte.

Ich bin weder ein Pixelpeeper, noch interessiere ich mich übermässig für sämtliche technischen Details (und kenne sie auch nicht auswendig). Für mich ist viel wichtiger, wie gut mich eine Kamera bei meiner Arbeit unterstützt und wie einfach sie sich in meine Arbeitsweise integriert. Dazu kann ich schon vorneweg mal sagen, dass die M11 so intuitiv und einfach zu bedienen ist, wie man sich dies von einer Leica M gewohnt ist. Ich konnte mich beim Fotografieren voll auf den Moment konzentrieren und musste mich nicht mit der Kamera und wo im Menu die Einstellungen zu machen sind, auseinandersetzen. Sie hat die staubige und teilweise bis zu 35°C heisse und trockene Umgebung problemlos gemeistert. Dies ganz im Gegensatz zum Fotografen, der auf dem Velo auf den ungeteerten Strassen mit Anstiegen von bis zu 22% Steigungen zwischendurch schon mal an die Grenze kam. Die M11 hat sich da schon deutlich souveräner geschlagen. Aber auch das ist eine andere Geschichte und ich schweife ab.

Im Folgenden greife ich die wichtigsten Neuerungen der Kamera auf und was diese für mich im praktischen Alltag und unterwegs bedeuten.

Bodenplatte, USB-C Anschluss und Akku

Die M11 ist zwar nicht IP-zertifiziert, weist aber wie bereits die M10 einen Staub- und Schlechtwetterschutz auf. Während sich die Abmessungen im Vergleich zur M10 nicht verändert haben, ist die wohl auffälligste Veränderung der Wegfall der Bodenplatte. Neu ist der Akku direkt von aussen zugänglich und kann über einen Entriegelungsschieber gewechselt werden (identisch zu den SL2- und Q2-Modellen). Puristen mögen der Bodenplatte nachtrauern, aber für den praktischen Einsatz unterwegs ist es sehr viel einfacher und schneller. Ich hätte mir insgeheim lediglich die gleiche Akkuform wie bei der SL2/Q2 gewünscht. Der Grund, dass dies nicht der Fall ist, liegt vermutlich darin, dass der Akku gleichzeitig auch noch den Speicherkartenslot abdeckt. Damit wird designbedingt eine andere Form benötigt. Dafür weisst der Akku 65% mehr Leistung auf gegenüber der M10 und hat unterwegs für meine Zwecke ausreichend lange gehalten. Gleichzeitig mit dem Wegfall der Bodenplatte wurde der M11 ein USB-C Port spendiert. Die Lage finde ich subobtimal, denn irgendwas hindert mich daran, die Kamera zum Laden auf den Kopf, das Display oder das Objektiv zu stellen oder das Kabel abzuknicken. Ansonsten ist der Anschluss für mich aber ein Segen. Ich bin aus Gewichts- und Platzgründen meistens mit sehr reduziertem Gepäck unterwegs und habe oft länger keinen Zugang zu einer Steckdose. Nun kann ich auf meinen Touren auf das Batterieladegerät verzichten und die Kamera bequem mit einer Powerbank aufladen. Ebenso kann ich die Kamera mit dem gleichen USB-Ladegerät, welches ich sowieso schon für die Powerbank etc. dabeihabe, aufladen und habe wieder zwei Teile (Batterieladeschale und Stecker) weniger dabei.

Die Datenübertragung unterwegs mit der überarbeiteten Leica FOTOS App ist schnell und praktisch. Sie erfolgt entweder über Wifi oder mit Kabel. Für iPhones und iPads kann leider nur das mitgelieferte USB-C zu Lightning-Kabel für die Übertragung verwendet werden und das Kabel kann auch nicht zum Laden von iPhones/iPads etc. genutzt werden (nur Datenübertragung). Das hätte ich mir anders gewünscht, und so habe ich das Kabel wieder versorgt und mich für die Übertragung aufs iPhone auf die Wifi-Verbindung beschränkt. Bei USB-C zu USB-C Kabeln (ist auch keines dabei) gibt es diese Einschränkung zum Glück aber nicht und ich konnte das bereits vorhandene Kabel für das iPad uneingeschränkt nutzen.

 

Änderungen bei den Funktionstasten

Die Funktionstaste ist von vorne an der Kamera nach oben neben den Auslöser gewandert (an der gleichen Position war bei der M240 der Knopf zum Filmen). Sie ist gut mit dem Zeigfinger erreichbar und ab Werk so eingestellt, dass die Auflösung der RAW-Dateien angepasst werden kann (mehr zu den RAW Dateien weiter unten). Die Taste kann aber auch mit einer Vielzahl anderer Funktionen belegt und so auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Die Anzahl der Tasten hinten an der Kamera ist gleichgeblieben, wobei die Live-View-Taste neu eine Funktionstaste (FN) ist und ebenfalls frei belegt werden kann. Zum Ändern der FN-Tastenbelegung diese einfach länger drücken, womit das Menu mit der verfügbaren Funktionsauswahl angezeigt wird. Eine für mich sehr praktische Änderung ist die neue Druckfunktion des Daumenrads.  Wenn ich z.B. das ISO-Einstellrad auf «M» stelle, kann ich nun den ISO-Wert über das Daumenrad einstellen, was für mich sehr viel einfacher und schneller ist und ich muss die Kamera beim Fotografieren nicht mehr herunternehmen.

Sensor mit «Triple Resolution Technologie» und 64GB internem Speicher

Der neue Sensor liefert eine Auflösung von 60 Megapixeln und selbst feinste Details können damit abgebildet werden. Die Qualität der digitalen DNG-Files (das RAW-Format von Leica) ist hervorragend und lässt mir viel Spielraum für die nachträgliche Bearbeitung (ich nutze Capture One 22 dazu). Der Sensor ist neu ein sogenannter «Backside Iluminated Sensor». Etwas vereinfacht erklärt, liegt die Schicht mit den lichtsensitiven Pixeln zuvorderst und nicht zuhinterst wie bei Sensoren, die diese Technologie noch nicht aufweisen. Dies erhöht die Lichtempfindlichkeit und verbessert damit das Rauschverhalten. Selbst ISO 6400 ist für meine Einsatzzwecke (u.A. auch für grosse Prints) völlig akzeptabel und überhaupt kein Problem. Weiter bietet der Sensor eine sogenannte «Triple Resolution Technologie». Neben 60MP kann ich nun auch mit 36MP oder 18MP Auflösung fotografieren und als DNG speichern. Damit spare ich Speicherplatz, wenn ich nicht die vollständige Auflösung benötige und gleichzeitig erhöht sich der Dynamikumfang von 14 Blenden bei 60MP auf 15 Blenden bei 36MP und 18MP.

Die Auflösung von 60MP in einem unstabilisierten Body ist aber nicht ganz trivial, denn die Gefahr von Verwackelung ist gross. Kann eine solche Kamera also nur noch mit dem Stativ verwendet werden? Keineswegs! Ich wüsste gar nicht, wo ich das auf dem Velo auch noch unterbringen sollte und es passt auch nicht zu meiner Arbeitsweise. Verwackelungen können auch ganz einfach umgangen werden. Normalerweise gilt für (unstabilisierte) Sensoren bei einer Auflösung so um die 24MP die Regel, dass die Mindestverschlusszeit aus 1/1*Brennweite errechnet werden kann. Bei einer 50mm Brennweite ergibt das 1/50s bzw. 1/60s. Im Fall der M11 und 60MP habe ich aber mit einer Verschlusszeit von 1/3*Brennweite bis zu 1/4*Brennweite fotografiert (also 1/200s). Ich konnte teilweise auch Bilder mit 1/125 Sekunde Verschlusszeit aus der Hand scharf fotografieren, aber nur wenn ich wirklich ganz ruhig und konzentriert war.

Als weitere Neuerung verfügt die Kamera über 64 GB internen Speicher. Dies ist in zweierlei Hinsicht begrüssenswert. Es ist mir auch schon passiert, wenn auch nur selten aber halt leider doch, dass ich ohne Speicherkarte los bin und dann mit herunter gelassenen Hosen dastand. Andererseits kann ich so bei wichtigen Shootings ein Backup der Daten erstellen und habe eine Sicherheit, falls die Speicherkarte den Geist aufgibt. Selbst bei 60MP reichen 64 GB einigermassen weit. Die Daten aus dem internen Speicher können im Nachhinein auch ganz einfach auf eine SD-Karte übertragen werden. Dieser Vorgang verläuft zügig und braucht kaum Akku (unterwegs mehrfach gemacht und getestet).

Mehrfeldbelichtungsmessung oder warum die Kamera neu eigentlich immer im Live-View ist

Beim Einschalten der Kamera hört man das gleiche Geräusch wie bei der M10, wenn sie auf Live-View umgestellt wird. Der Verschluss wird geöffnet und die Kamera ist neu eigentlich immer im Live-View-Modus. Damit kann die Belichtungsmessung nun über den Sensor erfolgen, womit auch die Mehrfeldmessung möglich wird. Diese war zwar schon bei der M10 verfügbar, aber nur solange sie im Live-View-Modus war. Für viele Benutzer bedeutet dies eine weniger aufwändige Belichtungsmessung und damit mehr Zeit zum Gestalten des Bildes.  Der mechanische Verschluss hat einen Arbeitsbereich von 60 Minuten bis maximal eine 1/4000 Sekunde, mit dem elektronischen Verschluss sind nun aber Zeiten bis zu 1/16'000 Sekunde möglich. Damit kann in gleissender Sonne bei ISO 64 auch mit voll offener Blende ohne ND-Filter fotografiert werden.

Menü

Das Menu bzw. der Aufbau wurde so angepasst, dass es nun die gleiche Grundstruktur wie bei der SL2 und Q2 aufweist. Damit ist der Wechsel zwischen den Kameratypen noch intuitiver und einfacher. Das Menu ist kurz und übersichtlich gehalten und enthält alles, was man braucht. Die Reduktion auf das Wesentliche zeigt sich auch hier und es gibt weder ewig tiefe Menüstrukturen, noch braucht es vorher ein längeres Studium der Betriebsanleitung. Wenn doch nur alle Geräte so einfach zu konfigurieren und bedienen wären! 

Heller Sucher und Live-View Bildstabilisierung

Der Sucher wurde ebenfalls überarbeitet und ist sehr hell und klar. Bilder komponieren und fokussieren ist eine Freude und Entlastung für das Auge. Selbst bei dunklen Verhältnissen hatte ich keine Probleme, zu komponieren und den Fokus richtig zu setzen.

Ich gebe es ja ungern zu, aber zwischendurch fotografiere ich auch über das Display oder nutze in kritischen Situationen (wie voll offene Blende und Details) LiveView zur Vergrösserung des Fokuspunktes, um scharf zu stellen. Mir ist unterwegs bereits aufgefallen, dass das Display sehr hell und die Fokussierung über Live-View sehr einfach und genau funktioniert. Ich hatte das Gefühl, dass es mit der M11 sehr viel einfacher ist, so zu fokussieren als mit der M10. Nach der Reise habe ich herausgefunden, dass das Live-View-Bild elektronisch stabilisiert wird und Bewegungen so ausgeglichen werden. Damit wird das Bild ruhiger dargestellt.  Aber aufgepasst! Es ist nur das Live-View-Bild, das stablisiert ist! Der Sensor selbst verfügt über keinerlei Stabilisierung und die Gefahr von Verwackelung besteht definitiv (siehe weiter oben).

Fazit

Nachdem ich mir mit zu langen Verschlusszeiten bei den ersten paar Versuchen aus der Hand eine leicht blutige Nase geholt habe (Anwenderproblem) und das USB-C zu Lightning Kabel wieder versorgt habe (was Jammern auf hohem Niveau ist…), war es eine Freude, mit der M11 unterwegs sein. Die Bildqualität ist grossartig und ein Fest für die Augen. Die Bedienung ist schnell und einfach und mit dem Messsucher sehe ich neben dem Ausschnitt auch noch, was darum herum passiert. Die Kamera lädt dazu ein, innezuhalten und bewusst zu sehen und zu fotografieren. Wenn ich Menschen fotografiert habe, sind diese nie vor der Kamera zurückgeschreckt, weil sie so klein und unauffällig ist. Sie passt hervorragend in meine reduzierte Reiseausrüstung und ich hätte mir keine bessere Begleitung wünschen können. Mit den 60MP habe ich genügend Reserven sowohl beim Bearbeiten wie auch beim Reinschneiden und spare mir so zwischendurch eine längere Brennweite. Es war ein Genuss, damit zu fotografieren und ich freue mich auf viel mehr Zeit mit der Kamera!

Sandro Georgi: 
 
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Tipp: Im Workshop vom 4. Juni hast du die Möglichkeit, das Leica M System selber auszuprobieren und auf dem Photowalk durch Bern von Sandros Tipps zu profitieren.
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