Der Fotograf, Stefan Lehmann, ist bereits seit Längerem mit dem Fujifilm GFX Sortiment unterwegs und hat nun das GF 20-35mm F4 getestet. 

Kürzlich habe ich das neue GF20-35 f4 für meine Tätigkeit als Portrait – und Reportage Fotograf getestet. Ich bin grosser Fan der Fujifilm GFX100S und ihrer kompakten Bauform, die trotz des immensen 102 Megapixel Sensors möglich ist. Die Menge an Details und Schärfe, die diese Kamera mit sich bringt, beeindruckt mich immer wieder. Meine Lieblingsbrennweite ist 85mm und somit das GF110 f2. Trotzdem benötige ich für meine Aufträge, gerade in der Berichterstattung, stets weitwinklige Aufnahmen. Bisher gibt es das GF23 f4, welches aber als Festbrennweite auf 18mm Vollformat-äquivalent beschränkt ist, jedoch keine höhere Blenden-Öffnung bietet. Es ist zudem etwas über 100 Gramm schwerer und über CHF 200 teurer. Der Filter-Durchmesser ist mit 82mm gleichbleibend und für mich als Fujifilm X und GFX Nutzer sowieso ein tolles Feature, dass sich sehr viele Objektive denselben Filter-Durchmesser teilen und ich so nicht ein Arsenal an ND – und Polfilter benötige.
Das 20-35mm F4 ist ebenfalls witterungsbeständig und bietet mit seiner Anfangsbrennweite von 20mm an Mittelformat mehr Weitwinkel. Mit dem Umrechnungsfaktor 0.79 sind es 16mm umgerechnet auf Vollformat. Somit eignet sich das GF 20-35mm hervorragend für Fotograf*innen, welche sich eine flexible Linse mit konstantem Blendwert für einen bezahlbaren Preis wünschen. 

Dass das Fujinon GF 20-35mm F4 perfekt für die Landschaftsfotografie und Aufnahmen in der freien Natur geeignet ist, liegt auf der Hand, da gibt es auch bereits viele informative Artikel online. Für die Bilder in meinen Testbericht habe ich mich deshalb absichtlich für einen typischen Auftrag aus meinem Alltag als Fotograf entschieden. Ich halte im Auftrag meiner Kundschaft Anlässe und Objekte fest. Für Online-Galerien, Magazine, Druck oder natürlich auch für den persönlichen Gebrauch. Für Portraits, egal ob Mensch, Tier oder Objekte, benutze ich stets meine Fujifilm GFX. Ich benötige dann keine 10 Bilder pro Sekunde und mir ist eine detailreiche Abbildung in hoher Auflösung wichtiger.
Gerade für grosse Objekte, Immobilien oder Areale nützt mir meine Lieblingsbrennweite von 85 Millimeter nichts, wenn ich Ausmasse oder Kontext zeigen möchte. Und hier zeigt sich das GF 20-35mm in seiner Paradedisziplin: Es übernimmt diesen wichtigen Brennweitenbereich von 16-24 Millimeter, den ich benötige, um dem Betrachter ein erfreutes «Oh!» zu entlocken. Für mich als Auftragsfotograf ist dieser positive Moment, wenn der Kunde seine Bilder betrachtet eine Zufriedenheitsgarantie. Und noch wichtiger, meist ist dann eine Weiterempfehlung gewiss. Natürlich formt sich der Plan, welche Bilder ich schiessen will, bereits im Vorfeld bei der Recherche im Internet oder basierend auf zugesendeten Fotos. Es ist aber wichtig, dass man bei der Umsetzung der Ideen nicht durch das Equipment eingeschränkt wird. Und hier spielt das GF 20-35mm seine Stärken voll aus.

Ian Lienhard, Pilot, Medienverantwortlicher der Classic Formation und geschätzter Fotografie-Freund brachte mich auf die Idee, mit dem Fujinon GF 20-35mm F4 eine besondere Fotoreportage zu erstellen.
Wuchtige Motoren, eindrückliche Spannweiten und enge Kabinen sollten es an seine Grenzen bringen. Das ist die Classic Formation, stationiert auf dem Airport Grenchen. Im Gegensatz zu Ian bin ich kein Aviatik-Enthusiast, aber in dieser Situation befindet man sich als Auftragsfotograf oft. Man muss sich schnell mit einer neuen Thematik auseinandersetzen können. Das ist das besonders Schöne an der Fotografie. Man erhält Einblicke in die Branchen und Tätigkeiten seiner Kundschaft und das ist ausserordentlich spannend!

Die Beech 18 ist ein zweimotoriger Tiefdecker von Beech Aircraft Corporation, welcher von 1937 bis 1970 gebaut wurde und eine immense Fangemeinde über die ganze Welt verstreut hat. In dieser Zeit entstanden über 9000 Flugzeuge in 32 Versionen. Nebst einer Douglas DC-3 sind die drei Beech 18 aus 1952 der ganze Stolz der Classic Formation. Und ich freue mich noch heute beim Ansehen der Bilder in diesem Beitrag über diese Stunde an einem verregneten Novembernachmittag im letzten Jahr, als ich diese einmalige Gelegenheit wahrnehmen durfte, die Vorzüge eines performanten Fujifilm GF Zooms einzusetzen. Auf das Bewegen der Flieger haben wir bewusst verzichtet. Einerseits war das Wetter ungewiss und der Aufwand und Kosten für den Betrieb eines solchen Flugzeuges sind nicht zu unterschätzen. Die Flugzeuge stehen in einem Hangar auf einer drehbaren Plattform und durch das grosse Tor fiel gedämpftes Licht herein. Schaffe ich diese Bedingungen mit Blende 4? Ja! Dank dem stabilisierten Mittelformat-Sensor der Fujifilm GFX 100S kann ich mit 1/100 gut aus freier Hand fotografieren. Das Gewicht der GFX100S mit 900g und 725g des GF 20-35mm verteilt sich gut in meiner Hand und ich kann die Kamera stabil halten. Ich lasse mir von Nicolas Misteli, Fleet Manager und Pilot, und Ian Details zur Beech 18 erzählen, während ich die ersten Bilder schiesse.

Als potenzieller Poster-Kandidat schwebt mir eine Totale vor, die im Rahmen der Gegebenheiten, dass das Flugzeug parkiert bleibt, realisierbar ist. Wir drehen die Plattform so, dass die Beech 18 «Classic 2» mit blauer Farbmarkierung mittig zwischen «Classic 3», rot und «Classic 4», gelb steht. Mit führenden Linien aus Asphaltmarkierung und den Hangar Streben im Dach zeigt sich bei 20mm f4 die eindrückliche Spannweite von 14.5 Metern. Dasselbe fotografiere ich später auch noch aus dem Hangar hinaus und platziere das Flugzeug im Rahmen des Hangar Tores. Auch hier nutze ich wieder die Streben mit Leuchtröhren als Stilmittel um den Betrachter in das Bild zu führen. Mit 20 Millimetern im Medium Format gelingt dies genial gut. Dank der Witterungsbeständigkeit habe ich keine Bedenken, mit dem Objektiv im leichten Regen zu arbeiten.

Der Eyecatcher schlechthin an diesem Typ Flugzeug sind die beiden präsenten Motoren. Es handelt sich um Sternmotoren mit einer immensen Leistung, die maximal fünf Passagiere und zwei Crewmitglieder mit bis zu 206 Stundenkilometer fortbewegen. Entgegen der Erwartungshaltung, dass für Detailaufnahmen die Linse gewechselt werden muss, nutze ich den Zoom zu 35 Millimeter und schneide das Bild in Lightroom später dann etwas zu, um den markanten Sternmotor optimal im Bildrahmen zu platzieren. Bei einem Bild mit einer Kantenlänge von fast 12'000 Bildpunkten kein Problem.

«More than Fullframe», so wirbt Fujifilm für seine GFX-Linie, ausgestattet mit einem rund 1.7x grösseren Bildsensor als Vollformat. Der «Large Format» Sensor kommt nicht ganz an die Grösse von Mittelformat heran, bietet aber trotzdem eine beachtliche Auflösung von 102 Megapixel. Das entspricht 11‘648 x 8736 Bildpunkten im Verhältnis 4:3. Gepaart mit dem GF 20-35 ergeben sich immense Möglichkeiten bei der Bildgestaltung. Das Portraitieren von Details am Flieger gelingt mit dem gezielten Platzieren des Hintergrundes. Hierbei brauche ich keine stärkere Tiefenunschärfe, da ich den Kontext des Objektes sichtbar behalten möchte. Würde ich hier mit Blende 1.4 arbeiten, würde man die Ausmasse des Flugzeuges schlicht nicht mehr richtig erkennen können. Mit der geringen Naheinstellgrenze von nur 35 Zentimetern, kann ich perfekt mit Perspektiven spielen.

Ich habe mich sehr gefreut, dass wir auch das Innere der Beech 18 betreten durften. Die Passagierkabine ist eng. Schaffe ich das mit umgerechnet 16 Millimetern Vollformat equivalent? Die beiden Piloten nehmen im Cockpit platz. Es ist nicht nur eng, auch dunkel. Nur wenig Licht dringt durch die Fenster ins Innere. Ich entscheide mich für 1/160 Verschlusszeit, Blende 4 und ISO Auto. Die Kamera arbeitet mit ISO 2500 bis 5000 und die Bilder sind imposant.

Das Fujifilm Fujinon GF 20-35mm F4 eignet sich nebst der Landschaftsfotografie auch hervorragend für den Einsatz auf Reportagen. Die kompakte Grösse und das geringe Gewicht ermöglichen auch in Kombination mit den GFX Gehäusen das Fotografieren aus freier Hand und die Lichtstärke von F4 lässt Detailaufnahmen mit schöner Hintergrundunschärfe zu. 
Die Brennweite ist toll, um Totalen und Aufnahmen mit mehr Hintergrund und Umgebung zu fotografieren. So hat der Betrachter das Gefühl, mittendrin zu sein. 

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