Unser Kursleiter, Christoph Bürki, nimmt die Canon Tilt/Shift Linsen genau unter die Lupe.
Seine Erfahrungen und einige Beispielbilder teilt er in seinem Blogbeitrag mit Dir: 

Das Tilt/Shift Sortiment von Canon umfasst folgende Objektive:

Canon TS-E 17mm f4 L
Canon TS-E 24mm f4 L
Canon TS-E 50mm f2,8 L Macro
Canon TS-E 90mm f2,8 L Macro
Canon TS-E 135mm f2,8 L Macro

 
„Die fünf Tilt/Shift Objektive von Canon sind für mich absolut tolle Linsen, die für jeden Fotografen einen unglaublichen Mehrwert haben. 

Lasse Dich nicht von der Namensgebung Tilt/Shiftirritieren, man kann sie als ganz normale Objektive gebrauchen, mit manueller Scharfeinstellung. Das ganz schnelle Bild mit Autofokus liegt da nicht wirklich drin, aber mit der hyperfokalen Distanzeinstellung (welche alle 5 Tilt/Shift Linsen haben) lassen sich auch schnelle Objekte mit Fokusvoreinstellung verfolgen. Es sind zudem optische Leckerbissen!

Alle fünf TS-E Linsen besitzen je zwei sich gegenüberliegende, unterschiedlich grosse Rändelschrauben. Die grossen Schrauben sind zum Verschieben/Neigen und die kleinen Schrauben sind zum Blockieren/Klemmen der Bewegung. Mit diesen kann ich nun das Linsensystem verschieben (shiften) oder neigen (tilten).

Diese zwei Bewegungsmöglichkeiten offerieren mir nun, handwerklich den Bildausschnitt neu zu definieren (shiften) oder die Schärfeebene neu im Raum zu platzieren (tilten). Beim Tilten ist die Schärfeebene nicht mehr parallel zur Sensorebene!

Beide Bewegungsebenen kann ich bei den aktuellen TS-E Objektiven sogar zueinander verschieben - man hat sozusagen die volle Kontrolle!

Tilten

Wenn ich die Tilt Einstellung auf normal belasse (Null Rasterung), so funktioniert die Scharfeinstellung, wie bei jedem anderen Objektiv. Die Schärfeebene wird parallel zum Sensor verschoben.

Wenn ich senkrecht „tilte“ (die Schärfeebene wird geneigt, nach links oder rechts), so kann ich maximal die Schärfeebene im 90° Winkel zur Sensorebene legen. Wenn ich waagrecht „tilte“ (die Schärfeebene wird geneigt, nach unten oder oben), so kann ich zum Beispiel den Boden rund um einen Baum von vorne bis hinten scharf abbilden, aber der Stamm und die Krone des Baumes sind je nach Blendenwahl unscharf. 

Mit dieser Neigeoption des optischen Systems habe ich die Möglichkeit, mit der Schärfeebene zu spielen. Miniaturisierung, die Schärfe von vorne bis hinten (nach Scheimpflug) zu legen, sind die Stichworte hierfür.

Es gibt kein Rezept beim Tilten, wie stark oder schwach die Neigung sein muss - dies ist immer auch vom Motiv abhängig. Wichtig sins aber die manuelle Belichtungssteuerung und ein Nachfokussieren der Schärfe. Da muss man immer ein wenig ausprobieren.

 

 

 

Shiften:

Das Shiften wird am häufigsten bei der Architekturfotografie verwendet. Wenn ich vor einem Gebäude stehe, und das ganze Gebäude im Bild haben will, so muss ich meistens die Kamera mit Weitwinkelobjektiv nach hinten neigen. Aus dieser Neigung der Kamera zum Gebäude entstehen die stürzenden Linien - das Gebäude neigt sich nach hinten. Auf dem Foto ist es proportional nicht mehr richtig dargestellt. 

Dies kann ich mit einer Software beheben, wobei aber auch der Bildausschnitt verändert wird. Oder ich kann die stürzenden Linien handwerklich mit der Shift Funktion am Objektiv korrigieren. Hierfür muss ich die Kamera parallel zur Gebäudestruktur ausrichten. Jetzt habe ich das Problem, dass nicht mehr das ganze Haus im Bild ist. Dies löse ich nun, indem ich das optische System nach oben shifte (verschiebe). Jetzt wird der Bildausschnitt verschoben, bis das ganze Haus im Bildausschnitt ist. Da die Sensorebene parallel zum Gebäude steht, habe ich nun keine stürzenden Linien mehr. Dies ist eine feine handwerkliche Lösung, ohne eine Software benutzen zu müssen. 

Vorsicht bei grossen Shiftbewegungen, dies kann zu Vignettierungen und falschen Belichtungen führen. Hier gilt manuelle Belichtungssteuerung auf der Nullraste und anschliessend die Verschiebung vornehmen, falls mit einer älteren Spiegelreflex ohne Liveview gearbeitet wird. 

Mit dem Liveview einer DSLR oder mit einer Systemkamera, welche über Fokuspeaking verfügt, ist es relativ leicht, das Neigen oder Shiften zu kontrollieren, da die Schärfeebene per Farbanzeige sichtbar ist. Diese technischen Hilfsmittel machen das Fotografieren mit Tilt/Shift Objektiven relativ leicht. 

Achtung ist geboten, wenn ich die Objektive ganz normal gebrauchen will - man muss darauf achtrn, dass die Verschiebungen und Neigungen auf den Nullrasten stehen. Soch ein Versehen führte schon zu manchen sprachlichen Aussetzern meinerseits!

Fazit:

Das Arbeiten mit diesen fünf Objektiven macht mir persönlich grossen Spass. Ich kann sie ganz normal für Landschaftsfotografie, Makrofotografie oder Portraitfotografie verwenden (50mm, 90mm, 135mm haben einen Abbildungsmassstab von 1:2) oder sie dank den zusätzlichen Möglichkeiten sehr kreativ einsetzen. Ich denke z.B. an Portraits mit nach rechts geneigter Schärfeebene, oder an eine bunte Blumenwiese, die ich von vorne bis hinten mit einer einzigen Aufnahme scharf bekomme! 

Diese fotografischen Möglichkeiten überbieten für mich das Gewicht der Objektive und auch den relativ teuren Anschaffungspreis.

Falls Du einmal ein Tilt/Shift von Canon ausprobieren willst, findest Du das 24mm auch bei uns im zumirent.ch“

 

Christoph Bürki

christophbuerki.com
@christophbuerkiphotography