Für Fotografen, die Deep-Sky Objekte wie Galaxien und Nebel festhalten möchten, hat Canon seit letztem Dezember die Canon EOS Ra im Angebot. Die spiegellose Vollformatkamera bietet eine extrem hohe Empfindlichkeit für das Ha Licht des Wasserstoffs und ermöglicht damit eindrückliche Aufnahmen solcher Gebiete. 

Peter Wäckerle kennt sich hervorragend im Bereich der Astro-Fotografie aus und leitet unter anderem auch die Astro-Fotografie Kurse bei Foto Video Zumstein.

Er konnte die neue Canon EOS Ra eingehend testen und präsentiert Dir hier seinen ausführlichen Testbericht:

Die Canon EOS Ra ist eine Variante der 2018 vorgestellten EOS R. Wie diese verfügt auch die Ra über einen 30 Megapixel CMOS Sensor mit erstklassigen Low-Light Eigenschaften. Sie besitzt ein dreh- und schwenkbares Touchdisplay, benötigt keinen mechanischen Klappspiegel und ist mit 580 Gramm ein kompaktes Leichtgewicht. 

Die Canon EOS Ra besitzt jedoch zwei Besonderheiten, welche speziell in der Astrofotografe nützlich und hilfreich sind: zum einen wurde der Infrarot-Filter, welcher bei „normalen“ Kameras nötig ist, durch einen speziellen Filter ersetzt, der die Emissionslinien von Wasserstoff durchlässt. Dies sind genau jene Lichtanteile, die den diffusen Nebelgebieten ihre schöne, rote Farbe geben. 

Die zweite Besonderheit der Canon EOS Ra ist die 30-fache Lupenfunktion, eine unschätzbare Hilfe beim Scharfstellen. 

Genaues Fokussieren dank 30-fach Lupe 

Kameras wie die Canon EOS Ra sind – im Gegensatz zu dedizierten Astrokameras – hervorragend geeignet, um abseits lichtverschmutzter Stadtgebiete irgendwo unter dunklem Himmel Astrofotografe zu betreiben. Solche Orte sind zum Teil nur schwer zu erreichen. Eine umfangreiche Ausrüstung mit grossem Teleskop, Laptop, Stromversorgung etc. ist dabei nur hinderlich. Neben Kamera mit Objektiv, Stativ und Tracker ist auch ein Fernauslöser nötig. 

Ein grosses Problem dabei ist jeweils der kleine Bildschirm an der Kamera beim Fokussieren. Die herkömmliche 10-fach Lupe hilft zwar etwas, bei Brennweiten unter 100 mm sind die Sterne jedoch auf dem Display schlicht zu klein, um zuverlässig beurteilen zu können, ob das Bild auch scharf ist. Viele Probebelichtungen sind deshalb nötig, bis der Fokus endlich stimmt. Eine aufwendige und langwierige Prozedur...
Mit einer Bahtinov-Maske geht das Fokussieren zwar schneller, allerdings sind bei Brennweiten im Weitwinkelbereich die Beugungsmuster viel zu klein, um die erforderliche Genauigkeit erreichen zu können. 

Die 30-fach Lupe der Canon EOS Ra schafft hier Abhilfe. Die Darstellung ist nun endlich so, als ob man an einem riesigen Monitor arbeiten würde. 

Bild 1 zeigt die unvergrösserte Ansicht des Sternbilds Orion mit einem 80 mm Objektiv. Die fünffache Vergrösserung in Bild 2 lässt die Beugungsmuster bereits erahnen. Erst die 30-fach Lupe in Bild 3 zeigt den Stern mit Beugungsmuster formatfüllend auf dem Display.

Diese Lupenfunktion ist damit mehr als nur eine nette Spielerei! Sie gewährleistet, dass die Sterne knackscharf abgebildet werden. Ich möchte sie nicht mehr missen. 

Weitfeldaufnahmen mit Tracker 

Freundlicherweise stellte mir Canon das lichtstarke RF 85mm F1.2L USM Objektiv einige Wochen zur Verfügung. Es ist zwar gross und schwer, optisch jedoch nahezu perfekt. Die Sterne sind bis in die Ecken scharf. 

Als Tracker benutze ich den Sky Watcher Star Adventurer. So ausgerüstet konnte ich Ende Januar Aufnahmen des Sternbilds Orion erstellen. Leider waren die Bedingungen nicht ideal, hohe Schleierwolken trübten die Sicht etwas. Trotzdem gelang es mir, das schwache Nebelgebiet „Barnard's Loop“ rund um die Gürtelsterne und Orionnebel aufzunehmen. 

Ein weiteres Bild entstand im Februar mit Herz- und Seelennebel bei dem doppelten Sternhaufen h und chi. Dieses Objekt stand beinahe im Zenit. Dabei erleichterte das schwenk- und klappbare Display die Bedienung der Kamera ungemein. 

In der Bildmitte – direkt über dem Doppelsternhaufen – ist sogar noch der Komet C/2017 T2 Panstarrs leicht grünlich sichtbar :- ) 

Angenehm überrascht wurde ich durch die lange Laufzeit des Akkus. Die EOS Ra verfügt neben dem mechanischen auch über einen elektronischen Verschluss (von Canon als „Leiser Auslöser“ bezeichnet). Wird dieser verwendet, müssen keine mechanischen Teile mehr bewegt werden und der Stromverbrauch sinkt markant. Auch nach über drei Stunden bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wäre noch genug Reserve für viele weitere Bilder dagewesen. Allerdings hatten da meine kalten Füsse etwas dagegen... 

Am Teleskop

Wie das Eingangsbild schon zeigte, sind Astrofotografien durch ein Teleskop anstelle einer Fotolinse besonders eindrücklich. Die grössere Öffnung gestattet das Sammeln von mehr Licht und die höhere Brennweite bringt Objekte wie Nebel, Galaxien und Sternhaufen zum Teil formatfüllend zur Geltung. Wichtigste Voraussetzung dafür ist allerdings eine geeignete und stabile Montierung. 

Um den grossen Vollformat-Sensor der Canon EOS Ra auch komplett und ohne Vignettierung auszuleuchten ist am Teleskop ein Bildkreis von 44 mm nötig. Der Anschluss erfolgt durch einen speziellen Wide-T- Ring. 

Es ist zwar möglich, eine Kamera auch am Teleskop nur mit einem Intervall-Timer zu betreiben, die meisten werden aber eine Steuerung mittels Computer bevorzugen. 

Die Verbindung zur Kamera erfolgt über USB-C oder auch WLAN. In diesem Fall empfehle ich aber die Verwendung eines Stromadapters, da WLAN-Verbindungen ziemlich energiehungrig sind. Der LP-E6N Akku kann zwar via direktes USB-C Kabel auch in der Kamera aufgeladen werden, jedoch nur bei ausgeschalteter Kamera. 

Abgespeichert werden die aufgenommenen Bilder direkt in der Kamera oder gleich auf dem verbundenen PC oder Laptop als RAW Datei im CR3 File Format (JPGs sind für die Astrofotografe ungeeignet). Das CR3 Format ist relativ neu. Es wird jedoch mittlerweile von den wichtigsten Bildbearbeitungs-Programmen unterstützt. 

Im Lieferumfang der Canon EOS Ra dabei ist Canon's eigene Software „EOS Utility“. Sie läuft unter Windows oder Mac und gestattet nicht nur Einzelaufnahmen, sondern auch ganze Serien mit Timer aufzunehmen. Auch eine anfängliche Verzögerungszeit ist wählbar, um z.B. die komplette Dunkelheit abzuwarten. Besonders nützlich für Aufnahmen des gleichen Objekts während mehreren Nächten ist die Möglichkeit, die Live-Ansicht mit einem bereits aufgenommenen Bild zu überlagern. Das Teleskop und die Ausrichtung der Kamera können so exakt justiert werden, ohne dass Randbereiche verlorengehen. 

Screenshot von Canon's Software "EOS Utility" 

Ein Programm für halbautomatische Bilderfassung mit Teleskop-Steuerung ist „Backyard EOS“ (US$ 50). Es bietet deutlich umfangreichere Funktionen als EOS Utility. Auch hier lassen sich bereits erfolgte Aufnahmen überlagern. 

Wie der Screenshot zeigt, können damit Sequenzen mit unterschiedlichen Belichtungszeiten (hier: 300s und 480s) programmiert werden. So entstand das folgende Bild der Feuerrad-Galaxie. 

Auch hier sind die roten Ha-Gebiete – Regionen der Sternentstehung – in den Armen der Galaxie deutlich sichtbar. 

Weitere Programme, welche die EOS Ra unterstützen, sind „Sequence Generator Pro“ (US$ 99) sowie „APT - Astro Photography Tool“ (€ 18.70). Beide bieten umfassende Automatisierungs-Funktionen. Die EOS Ra lässt sich damit am Teleskop genauso uneingeschränkt verwenden wie dedizierte Astro- Kameras. 

Für die Bearbeitung verwende ich seit Jahren „PixInsight“ (€ 230). Auch dieses Programm unterstützt die CR3 Dateien ohne Probleme. Bei Gratisprogrammen wie „DeepSkyStacker“ müssen die CR3-Dateien erst ins DNG Format konvertiert werden. Canon's „Digital Photo Professional“ ist dazu im Lieferumfang dabei. 

Sensortemperatur und Bildrauschen 

Eine kleine Überraschung gab es, als ich die einzelnen Bilder analysierte. Um das Bildrauschen zu minimieren, werden üblicherweise Kalibrierungs-Aufnahmen erstellt. Die sog. „Darks“ (Dunkelbilder) werden dabei mit denselben Einstellungen aufgenommen wie die richtigen Aufnahmen, nur eben mit aufgesetztem Objektivdeckel. Damit kann das Dunkelrauschen reduziert werden. ISO-Empfndlichkeit, Belichtungszeit und Sensortemperatur müssen dabei eben identisch sein. Der Wert der Sensortemperatur ist in den EXIF-Informationen der Dateien gespeichert. Er kann z.B. mit dem Programm ExifTool ausgelesen werden. Dabei zeigte es sich, dass der Sensor am Anfang einer Sequenz immer deutlich wärmer war als gegen Ende, auch wenn die Aussentemperatur mehr oder weniger konstant blieb. 

Die Erklärung dafür liegt wohl darin, dass der Sensor der EOS Ra – im Gegensatz zu einer Spiegelrefex- Kamera – anfangs konstant mit Strom versorgt wird. Auch wenn keine Aufnahmen laufen ist der Sensor in Betrieb, um mindestens im Sucher ein Bild zu produzieren. Und bevor eine Aufnahme-Sequenz gestartet werden kann, muss die Kamera auf das Objekt ausgerichtet werden. Auch das Fokussieren und Überprüfen der Einstellungen benötigt einige Zeit. Dabei erwärmt sich der Sensor auf bis zu ca. 20° über die Umgebungstemperatur. Sobald die Aufnahme-Serie beginnt, kühlt der Sensor wieder ab bis er sich nach etwa 30 Minuten auf ca. 6° - 8° über der Umgebung einpendelt (bei meiner EOS 6D konnte ich dieses Verhalten nicht beobachten, da bei einer DSLR der Sensor nur während einer Aufnahme eingeschaltet ist). 

Die Temperatur-Differenz hängt dabei hauptsächlich von der Länge der Pause zwischen den einzelnen Aufnahmen ab. 

Eine höhere Sensor-Temperatur verursacht mehr Bild-Rauschen. Spezielle Astro-Kameras werden deshalb gekühlt. Sollte man daher in der Astro-Fotografe generell auf ungekühlte Kameras verzichten? 

Astronomie-Foren auf dem Internet sind voll von diesen Diskussionen. Dabei werden gerne Seiten mit Messungen von Sensordaten zitiert, um zu zeigen, wie überragend Modell A von Hersteller B gegenüber Modell C von Hersteller D sei. Oder um wieviel „besser“ eine gekühlte Kamera geeignet ist. 

Ich fnde, man darf das nicht überbewerten. Als Astro-Fotograf ist man mit allen möglichen Quellen von Rauschen konfrontiert. Einen komplett dunklen Himmel gibt es fast nirgends mehr, nahe Städte verursachen zum Teil eine erhebliche Aufhellung des Himmels. Das „Seeing“, d.h. die Qualität der Luft bewirkt u.a., dass Auflösungen von unter 1 Bogensekunde illusorisch sind. All dies hat einen erheblich grösseren Einfuss auf die Bildqualität als einige Prozent Unterschiede im Sensor-Rauschen. 

Moderne Sensoren, wie derjenige der EOS Ra, zeigen generell ein erfreulich gutes Rauschverhalten. Dieses Rauschen wird durch die lange Gesamtbelichtungszeit mit vielen aufsummierten Einzelbildern noch weiter reduziert. 

Die Bilder links zeigen unbearbeitete Einzelaufnahmen. Oben mit 120s bei 17°C, in der Mitte bei 26°C Sensor-Temperatur. Der wärmere Sensor führt zu deutlich höherem Rauschen. Bei den kalibrierten Bildern rechts sind die Unterschiede dagegen minimal.
Beim Summenbild rechts unten mit 4 Stunden Gesamtbelichtungszeit ist das Rauschen erheblich reduziert. Zum Vergleich unten links noch eine unkalibrierte Einzelaufnahme mit 30 Sekunden. 

Auch deutlich zu sehen ist der Einfuss des Seeings. Die Sterne im mittleren Bild sind kleiner als im oberen Bild, bei welchem das Seeing offensichtlich erheblich schlechter war. Trotz wärmerem Sensor ist die Aufnahme in der Mitte klarer defniert. 

Die Canon EOS Ra ist für Deep-Sky Aufnahmen ein sehr mächtiges Werkzeug. Bilder von Ha-Gebieten – welche in 2 bis 3 Monaten wieder am Himmel auftauchen werden – sind damit leicht zu erstellen. Aber auch für Galaxien und Sternhaufen kann ich sie uneingeschränkt empfehlen. 

Mond und Planeten 

Ein Spezialgebiet der Astro-Fotografe sind Aufnahmen von Planeten und Details vom Mond wie etwa Krater. Dabei ist eine extra hohe Vergrösserung mit Brennweiten ab ca. 4000 mm nötig. Die Objekte werden dabei gefilmt und nur die besten Einzelbilder verwendet. Dieses Verfahren nennt sich „Lucky Imaging“. Üblicherweise werden dafür spezielle Planetenkameras mit sehr kleinen Pixeln (< 3 μm) verwendet. Mit ihren 5.4 μm grossen Pixeln ist die EOS Ra dafür zwar nicht prädestiniert, versuchen kann man's jedoch trotzdem ;- ) 

Die folgende Aufnahme des Mondes ist ein Panorama aus 16 Einzelbildern, welche aus jeweils 1 Minute 4K-Video mittels Lucky Imaging extrahiert wurden. Dazu verwendete ich das Programm „PlanetarySystemStacker“

Und was beim Mond funktioniert, sollte doch auch mit Planeten möglich sein: 

Auch hier habe ich einige Minuten lang im 4-K Video-Modus gefilmt und mit PlanetarySystemStacker die besten Einzelbilder auswählen lassen. 

Fotografieren bei Tageslicht 

Im Gegensatz zu Kameras, welche nachträglich astro-modifziert wurden, kann die Canon EOS Ra auch noch recht gut für gewöhnliche Tageslicht-Aufnahmen verwendet werden. Der Umbau direkt durch den Hersteller lässt nicht nur die Hardware-Garantie intakt, sondern scheint auch beim automatischen Weissabgleich zu Anpassungen bei der Kalibrierung geführt zu haben. Die Farben sind jedenfalls deutlich weniger rot als bei meiner (fremd-)modifzierten EOS 6D. 

Für uneingeschränkt korrekte Farben bei Tag wäre jedoch ein sog. OWB-Filter („Original White Balance“) nötig. Leider gibt es für die Ra – anders als bei APS-C und Vollformat DSLRs – noch keinen solchen zu kaufen. Dies ist jedoch wohl nur noch eine Frage der Zeit. 

Weitere Funktionen und Zubehör 

Für Astro-Fotografen, welche nicht über ein Teleskop verfügen und Bilder auch nicht stacken wollen, stellt die EOS Ra weitere interessante Funktionen zur Verfügung.
Für langbelichtete Landschaftsbilder mit Sternenhimmel kann direkt nach der Aufnahme automatisch ein Dunkelbild erstellt werden („Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtung“). Zeitraffer-Videos vom Lauf der Sterne sind in 4-K Auflösung und mit bis zu 30-sekündigen Einzelbildern möglich. Funktionen, welche ich leider noch nicht ausprobieren konnte. 

Nicht mehr missen möchte ich dafür den Astronomik Ha-Clip Filter, der direkt im Gehäuse eingesetzt wird. Bei Aufnahmen von Ha-Nebelgebieten bringt er eine markante Kontrast-Verbesserung und nützt so die Ha-Empfndlichkeit der EOS Ra voll aus. Das Bild des Rosetten-Nebels ganz am Anfang des Artikels ist ein schönes Beispiel dafür. 

Ich bin von der Canon EOS Ra hellauf begeistert und kann sie nur empfehlen. 

 

über Peter Wäckerle

Ende 2014 war Komet "Lovejoy" am Himmel zu sehen. Die ersten Versuche mit meiner Canon 500D und einem gewöhnlichen Objektiv haben mich so fasziniert, dass ich umgehend bei Foto Video Zumstein vorbeischauen musste und wenig später mit meiner ersten richtigen Montierung und einem ED-100 Refraktor nebst diversem Zubehör freudig nach Hause fuhr. Seither habe ich viele schöne Nächte unter freiem Himmel verbracht und wohl noch mehr Tage am Computer. Als ehemaliger Informatiker fällt mir dieser Teil des Hobbys natürlich sehr leicht.

Schwieriger ist schon das Thema Astronomie. Vor allem am Anfang wünscht man sich sehnlichst Hilfe. Hier haben mir meine Kollegen von der Astronomischen Gesellschaft Bern an unseren monatlichen Treffen viele Tipps und Anregungen gegeben. 

Ich habe schon immer gerne fotografiert - meine erste richtige Kamera war eine Canon A1, für deren Anschaffung ich eine ganze Sommerferie "opferte". Seither bin ich der Marke Canon immer mehr oder weniger treu geblieben. Für die Astro-Fotografie verwende ich seit einiger Zeit auch eine gekühlte monochrome Astrokamera. Unterwegs ist diese jedoch nicht so praktisch, da benutze ich mittlerweile lieber eine modifizierte Systemkamera.

Webseite: astro-fotografie.ch

Astrobin (das Instagram der Astro-Fotografen ;- ): astrobin.com/gucky